Im Vergleich zu bekannten Kampfsportarten wie Karate, Kung Fu oder Krav Maga sind die philippinischen Stile in Europa noch relativ unbekannt. Dies ist erstaunlich, denn Eskrima, Arnis und Kali bieten eine aufregende Mischung aus effektiver Selbstverteidigung und traditioneller Kampfkunst. Hier ist eine kurze Einführung in diesen faszinierenden Sport.

Die Kampfkunst auf den Philippinen – eine lange Tradition

Die Philippinen sind ein Archipel mit über 7.100 Inseln in Südostasien und wurden seit prähistorischen Zeiten von verschiedenen rivalisierenden Stämmen bewohnt. Die indigenen Bewohner entwickelten komplexe Kampfkünste, bei denen vor allem Macheten und Schwerter zum Einsatz kamen. Dies führte 1521 dazu, dass der Eroberer Ferdinand Magellan auf der Insel Mactan einem lokalen Stammesführer namens Lapu-Lapu im Kampf unterlag und starb. Dieser Sieg war jedoch von kurzer Dauer, da die Philippinen im 16. Jahrhundert von der spanischen Krone kolonisiert wurden.

Die Kolonialisierung hatte auch Auswirkungen auf die traditionellen Kampfstile. Einige Stämme kämpften an der Seite der Eroberer und wurden im spanischen Fechten ausgebildet, was die philippinische Kampfkunst nachhaltig beeinflusste. Doch die europäischen Kolonialherren begannen, ihre Untertanen zu fürchten, nachdem sie ihre Macht gefestigt hatten, und erließen 1764 ein Verbot aller Kampfkünste. Dennoch wurde die Kunst teilweise im Geheimen weiterhin praktiziert, und viele Techniken wurden in traditionellen Tänzen verborgen und so an die nächsten Generationen weitergegeben.

Moderne Nahkampfsysteme: Eskrima, Arnis und Kali

Die philippinischen Kampfsportarten haben ihre Wurzeln in den Kampfkünsten der alten Stämme. In ihrer modernen Form entwickelten sie sich jedoch erst im 20. Jahrhundert, nach dem Ende der spanischen Kolonialzeit. Heutzutage steht das Training mit Stock und Messer im Mittelpunkt, doch traditionelle Techniken aus dem Schwertkampf sind immer noch präsent. Seit 2010 sind die Filipino Martial Arts der offizielle Nationalsport der Philippinen, und die Kampfkunst wird in allen Schulen des Landes im Sportunterricht gelehrt. Die besten Athleten messen sich bei den jährlichen Philippine National Games.

Es gibt eine Vielzahl von lokalen Stilen, und die Bezeichnungen für die Kampfkünste variieren, da praktisch jede Region der Philippinen ihre eigene Sprache spricht. In der nördlichen Region um die Hauptstadt Manila ist meistens von Arnis die Rede. Im Zentrum um die Insel Cebu sind Eskrima oder Escrima gebräuchlicher, während in südlichen Regionen oft von Kali gesprochen wird. Gelegentlich werden auch Bezeichnungen wie Estoque oder Fraile verwendet.

Was tun, wenn kein Stock verfügbar ist?

Obwohl es auch in anderen asiatischen Regionen Waffenkampfkünste gibt, wie in Japan oder China, zeichnen sich die philippinischen Stile dadurch aus, dass zunächst mit dem Stock gearbeitet wird. Später lernen die Schüler, die Techniken auch ohne Waffen anzuwenden. Das Besondere an Eskrima, Arnis und Kali ist, dass die Kampftechniken übertragbar sind. Daher ist es für erfahrene Stockkämpfer nicht schwer, sich auch ohne Waffen zu verteidigen oder Alltagsgegenstände einzusetzen.

Die Techniken werden im Training in der Regel numerisch benannt, was den Einstieg erleichtert, da Anfänger nicht viele philippinische Begriffe lernen müssen. Die Bewegungsabläufe werden durch Drills erlernt, die kurze Abfolgen von Einzeltechniken sind und durch Wiederholung die Schnelligkeit und Reaktion verbessern. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Sinawali-Drills, die im Partnertraining mit zwei Stöcken pro Person durchgeführt werden. Eskrima, Arnis und Kali beinhalten auch Würfe und Hebeltechniken, um den Gegner zu Boden zu bringen.

Filipino Martial Arts – Mehr als nur Stockkampf

Für Anfänger stehen verschiedene Stilrichtungen zur Auswahl. Einige legen mehr Wert auf moderne Selbstverteidigung, während andere die Traditionen pflegen. Der Einstieg ist einfach, da die Techniken natürlichen Bewegungsabläufen folgen. Doch Vorsicht: Wer einmal Gefallen an Eskrima, Arnis oder Kali findet, wird nur schwer davon loskommen, da es eine schier endlose Vielfalt von Techniken und Varianten zu entdecken gibt. Diese Kampfkunst ist ebenso vielfältig und faszinierend wie das Inselreich, aus dem sie stammt.